Bodensee. Jetzt sind C. und K. hierhin gezogen. Wohnen in einem Dorf im Hinterland. Am frühen Abend Rundfahrt mit See zum Ziel. Vor einem das Strandbad in dem noch die letzten Schwimmer im Abendlicht Runden im Wasser ziehen. Am Seeufer verweilen Spaziergänger. Die Wiese ist leer, nur drei Kinder spielen am Sandkasten, deren spitze Schreie bis zum Strandcafé hinüber reichen. Im Café selbst ein Grundrauschen von Stimmen. Die Geräusche von Bestecken und Tellern. Wir bestellen Rothaus Märzbier: trinken, essen, reden. K. erzählt, dass er die Leute aus der Region kaum verstehen würde. Immer müsse er nachfragen, sich in die Mundart mühselig hineinhören. Ich wundere mich und sage, dass man den Kellner doch ganz gut verstanden hätte. Worauf K. meint, dass er gar glaubt, der Kellner sei Hesse.

Als wir zahlen wollen, zählt der vermeintlich hessische Kellner die Summen auf Französisch zusammen. Ob er Franzose sei, frage ich. Mit nun deutlich hörbaren französischen Akzent bejaht er meine Frage lächelnd. Dass ich gedacht hätte, dass er Hesse sei, erkläre ich. Sein Lächeln wird zum Grinsen. Er hätte lange in Frankfurt gelebt, dort das Deutsche gelernt. Sein Dialekt ist nun vom Französischen ins breit Frankfurterische umgeschlagen. Ein Bockenheimer sei er. Schlossstrasse. Noch heute würde er manchmal den Klang der Straßenbahn vermissen. Im Frankfurter Hof habe er gearbeitet. Im Frankfurter Hof, sage ich, da wäre zur Buchmesse immer viel Betrieb. Jetzt bekam sein Blick etwas wehmütiges. Ach, die Buchmesse… Fünf lange Tage, viel Arbeit. Aber die beste Messe sei es. Die Gäste kultiviert und höflich, bestellten viel und zahlten großzügig Trinkgelder. Was denn die unangenehmste Messe gewesen sei, wollen wir daraufhin wissen. Er überlegt kurz und antwortet: Die Automechanika. Unangenehme Kunden. Dann vielleicht noch die Ambiente. Gemocht hätte er dagegen die Metzgermesse. Einfache Leute, nicht kultiviert, wie bei der Buchmesse, aber mit dem Herz am rechten Fleck. Wir zahlen, geben reichlich Trinkgeld und fahren während die Sterne am Himmel zu blinken beginnen zurück ins Dorf.

Das Dorf ist ein echtes Dorf: Mit Schmeißfliegen und Misthäufen. Mit Wegkreuzen und Lourdesgrotte. Mit Dorfladen und Dorfschenken. Eine Vierzimmerwohnung lockte C. und K. in die Provinz für deren Mietpreis man in Frankfurt nur eine Einzimmerwohnung bekäme. Um die Wohnung rundherum führt ein Balkon. Hinter dem Haus beginnt ein Feld. Nachts hört man keine Flugzeuge, keine Strassen. Fährt ein Auto dröhnt es laut durch die Nacht bis der Motorenlärm langsam in der Ferne verhallt. Über einem ein Himmel voller Sterne. Ein gesprenkelter Nachthimmel, auf dem sich die Milchstrasse deutlich abzeichnet. Ein Himmel bei dem man wieder Kind sein will, welches davon träumt Astronom oder Astronaut zu werden. Nachts, dass bedeutet hier: auf dem Balkon sitzen, ein Bier trinken, überlegend welcher der sich bewegenden Leuchtkörper am Himmel Flugzeug, Satellit oder Sternschnuppe ist. Dabei Flüstern, denn beim normal lauten Sprechen hebt sich die Stimme auffallend laut gegen die Stille des Dorfes ab. Der Blick gen Himmel. Stundenlang. Bis man mit dem Nachthimmel verschmilzt.

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