Thomas Schinwald ist jung. Ein bisschen über 30. Er trägt diese Turnschuhe für die Thomas Gottschalk in den 1980er Jahren Werbung in Jugendblättchen wie „Bravo“ gemacht hat. Nur Schinwalds Schuhe heute haben Klettverschluss und sind ganz in Weiss, die Streifen fehlen komplett. Charmant führt er uns durch seine Ausstellung. Es klingt meist charmant, wenn Österreicher etwas erklären, selbst beim 1 bis 1000-zählen klänge es noch charmant.
Die Kunststiftung von Siemens hat ihn in sein Herz geschlossen und so stehen der Schinwald, der Siemens-Stiftler und der Leiter des Kunstvereins vor uns und erklären die Ausstellung. Erklären Schinwalds Blick auf die Welt. Je lauter die Erläuterung, umso leiser wird der Künstler. Dabei ist er weder schüchtern noch introvertiert. Er erzählt gern über seine Arbeiten, nur nicht dann, wenn die anderen laut über ihn dozieren. Er erzählt, dass er mit Mode angefangen hätte und später dann Kunst studiert. Sich an der Mode abgearbeitet, indem er untragbare Kleidung entwarf. Das „Jubel-Hemd“ beispielsweise, dass so geschneidert war, dass wohl ein Dirigent wunderbar seine Arme oben halten könne, nur beim Herunternehmen würde es kneifen, dafür sei es nicht gedacht, nicht geschneidert worden.
In der Ausstellung werden die Portraitierten auf alten Bildern um metallene Prothesen ergänzt. Prothesen stützen ein Doppelkinn oder verbinden Augenbraue mit dem Ohr, fast wie Implatate. Beim Gang durch das Haus fühlt man sich vielleicht an „Freaks“ von Tod Browning erinnert oder an Kuriositätenschauen, wo einst Menschen mit Anomalien dem Publikum vorgeführt wurden: Schlangefrauen, wie man sie auf den Fotografien sehen kann. Sie wirken, allen Verrenkungen zum Trotz oder gerade deswegen, immer als Modefotos.
Im 19. Jahrhundert gab es Charcots „Hysterikerinnen“- Fotografien. Um die extremen Verrenkungen bei Ausbrüchen dieser „Hysterikerinnen“ deutlich ablichten zu können, mussten die Posen in Gestellen fixiert werden. Nur so konnten diese trotz der langen Belichtungszeit abgebildet werden. Die Gestelle wurden später aus den Fotografien wegretuschiert.
Männer hätte Schinwald ebenfalls auf seinen Fotografien gezeigt, nur gefunden habe er keine, die sich schlangenartig auf einem seiner Bilder verknotet hätten. So bleiben es wieder die schönen, mit Modeassecoires verzierten Frauen, die sich ästhetisch ins Bild biegen.
Thomas Schinwalds „Tableau Twain“ im Frankfurter Kunstverein: 01.09.-24.10.2004